Straßenbahn in Frankreich - Lyon

Die drittgrößte Stadt Frankreichs liegt am Zusammenfluss von Rhône und Saône und ist die zweitbedeutendste Métropole Frankreichs; inzwischen ist sie mit ihren umgebenden Gemeinden zu einem Siedlungsteppich zusammengewachsen. Das ÖPNV-Netz kümmert sich dementsprechend nur wenig um Stadtgrenzen. Dabei ist es so vielfältig wie kaum anderswo: klassische Métro mit Fahrer oder automatisiert, eine Métro mit Zahnstange, zwei Standseilbahnen, Straßenbahn, Expresstram zum Flughafen, O-Bus…; dazu gleich vier teils malerische Flussufer, zwei Hügel, zwei Altstädte – Lyon ist fast das bessere Paris, trotzdem haben es überraschend wenige Reisende am Radar.

Die erste Straßenbahn von Lyon war durchaus erfolgreich, die Einschränkungen des I. Weltkriegs und die darauffolgende Inflation waren dann aber eine entscheidende Zäsur. 1924 hatte das Netz seine größte Ausdehnung, 1930 wurde der Höhepunkt an Passagierzahlen erreicht; dann ging es bergab, und im Jänner 1956 war es mit der regulären Tram vorbei. Damit war das zweitgrößte Straßenbahnnetz Frankreichs Geschichte, mehr als 300 Kilometer in zwei Spurweiten waren verloren.

Hundert Jahre Abstand: Das Netz im Jahr 1926 zur Zeit seiner größten Ausdehnung und 2026 nach fertigstellung der aktuell vorgesehenen Verlängerungen (Zeichnungen: Anthony Bostvironnois)

1996 wurde die grundsätzliche Entscheidung getroffen die Tram wiederzubeleben, und schon Anfang 2001 T1 und T2 eröffnet. An die seltsame Kopfform der "Citadis"-Wagen gewöhnt man sich schnell, und die Zielanzeige ist durch die fast senkrechte Scheibe gut zu lesen. Die Tram soll eine Raupe darstellen, was mit der berühmten Lyoner Seidenindustrie (und den dort beschäftigten Seidenraupen) zusammenhängt.

Unten: die Métrolinie B wurde 2022 auf automatischen Betrieb umgestellt (links); die Métro D fuhr von Anfang an fahrerlos (mitte). Ein Kuriosum ist die Zahnstangenmétro C (rechts).

Lyon Metro B Lyon Metro D Lyon Metro C

Die ersten beiden Tramwaystrecken führen von multimodalen Verkehrsknoten Lyon-Perrache nach Osten. Gleich nach der großen Brücke über die Rhône teilt sich die Strecke in einen Ast nach Nordosten über den Bahnhof "Lyon Part-Dieu" zum großen Universitätsgelände bzw. durch die städtische Hauptachse nach Osten. Das Depot liegt bei der früheren Endstation "Porte des Alpes".

Beide Linien sind reizvoll, die Fahrt auf der T1 durch den Unicampus führt durch große Alleen, die Strecke ist sehr schön in die Bebauung eingebunden. Die Außenstrecke der T2 zeigt, wie gut eine neue Straßenbahn eher unspektakuläre Vorstädte aufwerten kann. Auf den meist mit Rasen bepflanzten Gleiskörpern werden hohe Geschwindigkeiten erreicht, die Ampelsteuerung funktioniert perfekt, Aufenthalte finden praktisch nur in den Haltestellen statt.

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Im aufgeräumten Führerstand sind gut die kleinen Bildschirme für die seitlichen Kameras zu sehen (mit irgendwelchen Rückspiegel-Basteleien hält man sich in Frankreich nicht auf). In der Station werden die beiden Kameras der Türseite auf die Schirme geschaltet, während der Fahrt springt die Anzeige automatisch auf die Kameras links und rechts vorne. Auf dem mittleren Schirm wird der Wagenzustand angezeigt. Links der Fahrhebel, rechts die Knöpfe für die Türen und Weichen.

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Die Linie T3 entstand anstelle einer alten Lokalbahn, die vom Bahnhof Part-Dieu nach Westen führte. Die noch vorhandenen alten Bauwerke wurden teilweise nett restauriert und an der Strecke stehen gelassen. Diese Linie ist eher eine moderne Stadtbahn, vollbahnmäßig trassiert, mit teils schrankengesicherten Übergängen, in Betrieb seit 3.12.2006. 2010 wurde die verlängerte Strecke zum Flughafen eröffnet, sie wird nun vom privaten "Rhonexpress" bedient. Der Fahrpreis (dzt. ca € 16,-) ist sehr hoch, was zu Kritik und Diskussion über die Übernahme durch die öffentliche Hand geführt hat.

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2007 war Baubeginn für eine vierte Tramwaylinie, sie verbindet die Gemeinde Vénissieux mit Lyon. An Jet d'Eau trifft sie auf die T2, von dort führt sie weiter nach Norden durch die Stadt zum Bahnhof Part-Dieu. Eine fünfte Linie wurde 2012 zur Erschließung eines Messegeländes als Abzweigung von der T2 eröffnet, die T6 ergänzt seit 2019 als südliche Tangente. Das Gleisnetz ist inzwischen knapp 84 Kilometer lang, weitere Ausbauten sind vorgesehen: neben der Verlängerung der T6 Richtung Norden (Skizze unten Mitte) und diversen Taktverdichtungen überlegt man für die Zeit nach 2026 weitere Neubaustrecken:

T8 (Bellecour - Part-Dieu - La Doua)
T9 (Charpennes - La Doua - Vaulx-en-Velin Hôtel de Ville - Carré de Soie)
T10 (Gerland - ZAC Technosud - Saint-Fons - Bahnhof Vénissieux)

Dazu kommt nach der Absage der Métrolinie E eine teils unterirdische Expresstramway Richtung Osten, die im Stadtteil Confluence südlich des Bahnhofes Perrache in die Trasse der Linien 1/2 eingebunden werden soll.

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Mit den 2019/2020 gelieferten neuen Citadis 405 wächst die Flotte auf 103 Fahrzeuge an, dazu kommen die 6 Stadler Tango der Flughafenbahn. Im Mai 2020 kamen die neuen Citadis auf der Linie T3 erstmals zum Einsatz, sie sehen etwas anders aus als die bisherigen Züge, das Motiv der "Seidenraupe" hat man aber beibehalten:

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Lyon ist derzeit einer der Anführer bei der Renaissance der Straßenbahn in Frankreich und zeigt, dass gerade in stark belasteten Großstädten Platz für dieses leistungsfähige Oberflächenverkehrsmittel ist.

Tramway Lyon (ofizielle Seite)

Fotoseiten zum ÖPNV in Lyon
(Métro, Straßenbahn, Bahnhöfe)

Verwandtes Thema: Das Stadtentwicklungsgebiet Lyon-Confluence


Die Langfassung dieser Seite:
Geschichte und Gegenwart

Die Zukunft der Städte, Seite 74

Lage in Frankreich

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Letzte Änderung: 5.6.2023