Straßenbahn in Frankreich - Besançon

2008 beschloss auch das Stadtparlament von Besançon mit großer Mehrheit den Bau einer Straßenbahn; bereits Ende August 2014 konnte die Gesamtstrecke eröffnet werden. Das historische Stadtzentrum in der Schleife des Flusses Doubs sollte von Oberleitungen frei gehalten werden, ursprünglich überlegte man zwei Alternativen: Stromversorgung per Unterleitung, oder eine Umfahrungsroute am Kai des Flusses Doubs. Da das Denkmalamt die Querung ebenfalls kritisch sah wählte man schlussendlich eine Lösung, bei der die Trasse vier Mal den Fluss quert und damit wenigstens an zwei Stellen den Randbereich des Zentrums berührt.

Die Gesamtkosten des Projekts werden mit 228 Mio Euro angegeben, die 19 CAF-Straßenbahnwagen machen dabei etwa 35 Mio aus; 1,85 Mio pro Wagen also, was im Vergleich zu den gleichzeitig für Brest und Dijon zum Stückpreis von 2,23 Mio angeschafften deutlich größeren Citadis von Alstom nicht als „Schnäppchen“ wirkt. Die 23 Meter langen CAF-Fahrzeuge wirken insgesamt weniger wertig in der Verarbeitung und neigen in den Kurven zum Sägen; darüber hinaus sind sie bereits kurz nach der Eröffnung für das Passagieraufkommen eher knapp bemessen, mit der möglichen Verlängerung um ein Modul werden die Gesamtkosten wohl kaum weit unter dem Angebot von Alstom liegen.



Die neue TGV-Station "Besançon-Auxon" liegt außerhalb von Besançon, die topografischen Bedingungen in der unmittelbaren Umgebung waren zu schwierig, um die TGV-Strecke direkt in die Stadt zu führen. Wie schon mehrfach im TGV-Netz nimmt man längere Zugangswege zu kleineren Stationen zugunsten einer geradlinigen Hochgeschwindigkeitstrasse in Kauf. Man hat allerdings einige direkte TGV-Züge zum städtischen Bahnhof mit der SNCF ausgehandelt. Ansonsten pendeln Zubringerzüge auf einer reaktivierten Güterbahn zwischen den beiden 10 Bahnminuten voneinander entfernten Stationen; eigentlich wäre das ein perfektes Anwendungsgebiet für einen Tram-Train, diesbezüglich gibt es aber noch keine Pläne, wenngleich die Gleisabstände in der Stadt bereits vorsorglich dazu ausgelegt wurden. Wie schon in mehreren Städten Frankreichs ist die neue TGV-Strecke auch hier Impuls für die Stadterneuerung – und eine neue Straßenbahn gehört mittlerweile dazu.

Bei der Gestaltung der 14,5 Kilometer langen Strecke wird deutlich, dass guter Geschmack unabhängig von den Errichtungskosten ist: Die Architektur ist weniger verspielt als anderswo, aber solide und elegant. Die Rasengleise sind nicht aufwändig bewässert, wirken aber trotzdem besser als grauer Beton. Auch die in Frankreich übliche künstlerische Ausgestaltung ist auf die Fahrzeuge selbst beschränkt: Jeder Wagen trägt das Portrait eines berühmten Mitbürgers mit einem kleinen Infotext zu seinem Leben – das schafft Identifikation mit der Stadt und ihrer an Persönlichkeiten reichen Vergangenheit. Ein typisch augenzwinkernder Gag sind die neuen Sitzgelegenheiten: Das Gesamtnetz trägt die Wortmarke „Ginko“ – nun laden große Ginko-Blätter aus Gusseisen ein, sich an den schönen Plätzen niederzulassen und das Vorbeigleiten der schmucken blauen Züge zu beobachten.

Eine Verlängerung vom Bahnhof nach Nordwesten ist angedacht; Studien für die Verlängerung nach Westen über das heutige Depot hinaus, wahrscheinlich zum Einkaufszentrum von Chateaufarine, wurden 2018 ausgeschrieben. Zeithorizont für die Eröffnung wäre etwa 2025.

Eigentlich hätten die (von Anfang an zu kurzen) Züge von derzeit 24 auf 36 Meter verlängert werden sollen, allerdings dürfte die Stimmung zwischen Stadt und Fahrzeuglieferant wegen technischer Probleme etwas abgekühlt sein - CAF war am Upgrade-Auftrag der bestehenden Wagen nicht interessiert. Nun möchte man neue, zusätzliche Züge kaufen: Zusammen mit Toulouse und Brest erfolgte eine Sammelbestellung um Kosten zu sparen, gesamt 22 Alstom-Wagen, fünf für Besancon. Die Haltestellen müssen dafür nicht umgebaut werden, das System wurde von Anfang an dafür ausgelegt.

Ein Problem ist auch die ziemlich zentral liegende Aufspaltung der beiden Linienäste Richtung Bahnhof und Richtung Osten und damit das lange Intervall von 12 Minuten je Ast, bei rasch fortschreitender Bebauung entlang des Korridors.

Quelle zu den Upgrade-Überlegungen: Sitzungsprotokoll vom 8.4.2021

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Tramway in Besançon (offizielle Seite)

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Die Zukunft der Städte, Seite 156

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Letzte Änderung: 13.4.2023