Wien in den Fifties: Upflastraba, U-Bahn und Utopien

1957 wird, nach dem Erfolg der unterirdischen Tram in Brüssel, endlich ein Investitionsprogramm für den öffentlichen Schienenverkehr beschlossen. Damit kann endlich begonnen werden, zeitgemäße Neubaufahrzeuge anzuschaffen. Die Standardtype E entsteht in Duewag-Lizenz. Darüber hinaus erhalten auch die Pläne für unterirdische Straßenbahnnetze neue Impulse, in der Presse "Upflastraba" - Unterpflasterstraßenbahn - bezeichnet. Mehrere Varianten werden ausgearbeitet, bei allen steht die Innenstadtquerung im Vordergrund. 1963 entsteht ein Plan, der aus heutiger Sicht verdient hätte, gebaut zu werden. Die Nord-Süd-Querung entspricht etwa der heutigen U1; die Ost-West-Querung verbindet sehr stark genutzte Linienbündel. Zusätzlich wird die starkbelastete Linie 49, die durch enge Gassen führt, ebenfalls durchgebunden. Auffallend ist allerdings, dass die großen Bahnhöfe nicht an dieses Netz angebunden sind. Der nächste Plan zeigt eine Variante: Die Tunnelstrecken sind kürzer geworden, die Linie 49 wird direkt zum Stephansplatz geführt. Die Strecken folgen eher bestehenden Verkehrsströmen. In drei Entwicklungsstufen wird begonnen, erste Planungen umzusetzen. Der erste Schritt ist die Unterfahrung von schwierigen Kreuzungen. Die Tiefstation Südtiroler Platz wird gebaut, großzügige Passagen verbinden S-Bahn und Tramway. Diese Station im typischen Design der Fifties ist inzwischen leider bis zur Unkenntlichkeit umgebaut worden, obwohl sie eine sorgfältige Renovierung verdient hätte. Das nächste Bauwerk, die Schleife Schottentor, wird noch in Hinblick auf die straßenbahnmäßige Cityquerung gebaut; die vorgesehene Verlängerung ist deutlich an der Säulenstellung erkennbar. Auch heute wäre eine Realisierung dieser Verlängerung zumindest bis zum Stephansplatz überaus sinnvoll; ich habe vor einiger Zeit ein entsprechendes Projekt ausgearbeitet, das seither immer wieder diskutiert wird.

Danach vollzieht sich - auch unter dem Druck der Opposition - die Wende zur U-Bahn; die Ustrab-Tunnels unter der "Zweier-Linie" (um die Stadt) und unter dem Gürtel werden bereits als Vorleistung für die U-Bahn gesehen. Ursprünglich nur von der Sezession bis zum Volkstheater vorgesehen, wird der Zweierlinien-Tunnel während dem Bau aus verschiedenen Gründen immer weiter verlängert. Ohne noch genaue Lichtraumprofile künftiger U-Bahn-Wagen zu kennen, versuchte man, sich alle Möglichkeiten offenzulassen. Leider endet diese Strecke an beiden Enden vor neuralgischen Kreuzungen, damit sind die Vorteile des störungsfreien Betriebs natürlich dahin; außerdem werden die Tunnellinien rätselhafterweise mit den ungeeigneten Zweiachsern statt den schnellen Gelenkzügen betrieben.

Vor einigen Jahren wurde diese Strecke schon wieder umgebaut, um den Betrieb der U2 mit Langzügen zu ermöglichen. Um den Verkehrswert zu heben, wurde die seit 1980 wenig ausgelastete Linie über die Donau verlängert. Lange wurde von Insidern unter der Hand erzählt: "Bis zur Fertigstellung dieser Verlängerung wird man leider auf umsteigefreie Ringstraßenbahnen warten müssen" Und tatsächlich - um die Passagierzahlen der U2 einigermassen zu halten, wurde jede Verbesserung der Ringlinien peinlich genau vermieden, bis dann 2008 - nach der Verlängerung zum Stadion - endlich die neuen Ringlinien 1 und 2 geschaffen werden durften.

Am Gürtel wurde die bestehende Tiefstation Südtiroler Platz mit einem Ustrab-Tunnel verbunden. Da diese Strecke nur als Provisorium gesehen wurde, nahm man enge Gleisdreiecke im Niveau in Kauf, die bis heute häufig Störungen verursachen. Gesamt gesehen haben diese Einzelmaßnahmen im Vergleich zum Aufwand wenig gebracht, vor allem wegen der für Wien typischen Planungsunsicherheit.

Die nächsten Netzentwürfe konzipieren bereits eine Voll-U-Bahn. Die Grundstruktur des innerstädtischen Achsenkreuzes steht sowieso außer Diskussion, über die Führung der Außenäste ist man sich noch etwas unklar. Mit Liniengabelungen versucht man die Straßenbahn in der Fläche zu ersetzen. Auf dem oberen Bild die damalige Idealvorstellung der Wiener U-Bahn; das untere Bild zeigt eine aus der damaligen Sicht machbare erste Ausbaustufe.

Das ausgehende Jahrzehnt steht im Zeichen zunehmender Stilllegungen im Straßenbahnnetz; Linie um Linie wird dem Fortschritt geopfert, der in Form "moderner" Buslinien um sich greift, obwohl der Zustand der damaligen Pflasterstraßen von den Fahrgästen wohl einiges - vor allem einen guten Magen - abverlangt. Die heutigen wirklich modernen Busse sind mit den schwerfällig schlingernden Dieselungetümen nicht vergleichbar; der Startvorteil der Busse damals war wohl vor allem, dass sie gegen noch unbequemere offene Vorkriegsstraßenbahnen antreten konnten.




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