Straßenbahn in Frankreich - Nizza

Nach den schlechten Erfahrungen in Nancy entschloss man sich im Jahr 2000 für die "klassische moderne" Straßenbahn, und 2007 eröffnete Nizza seine erste Straßenbahnlinie, die rasch ein durchschlagender Erfolg wurde. Mit 480 Millionen Euro (Kalkulation aus 2003) für 8,7 Kilometer war das Projekt nicht gerade sparsam; die beiden Äste der U-förmigen Strecke wurden aber so sinnvoll in die Stadtstruktur gesetzt, dass etwa ein Drittel der Bevölkerung im Einzugsgebiet liegt. Kleiner Schönheitsfehler der Trasse ist das Verfehlen des SNCF-Bahnhofes um ca. 400 Meter; andererseits ist die urbane Einbettung der Trasse gerade in die repräsentativen Plätze des Zentrums schlichtweg grandios, hier hat die Straßenbahn als urbanistisches Werkzeug Wunder vollbracht und den seinerzeit etwas heruntergekommenen Stadtkern immens aufgewertet. Alle Elemente der Stadtmöblierung wurden aufeinander abgestimmt und zitieren Palmenmotive, die Strecke wirkt "wie aus einem Guss".

Straßenbahn in Nizza Straßenbahn in Nizza Straßenbahn in Nizza

Straßenbahn in Nizza Straßenbahn in Nizza Straßenbahn in Nizza

Nach dem großen Erfolg praktisch vom Start weg war es klar, dass weitere Netzergänzungen bald folgen sollten. Klar war, dass eine West-Ost-Linie den Flughafen mit der Innenstadt verbinden sollte. Der Weg dahin war dann aber doch verschlungener als gedacht; nach mehreren Konzeptänderungen entschied sich die Politik statt der angedachten Strecke am Meer, entlang der „Promenade des Anglais“, für eine Route weiter landeinwärts, wobei aber die Innenstadtquerung als Problem gesehen wurde. So entstand die Idee, das Zentrum im Tunnel zu unterfahren, eine Lösung, die einige Nachteile bringt.

Straßenbahn in Nizza Straßenbahn in Nizza Straßenbahn in Nizza

Straßenbahn in Nizza Straßenbahn in Nizza Straßenbahn in Nizza

Die höhere Reisegeschwindigkeit – im Tunnel werden 70 km/h gefahren – wurde mit langen Zugangswegen zu den Tiefstationen erkauft, dazu kommt die ungünstige Situation bei den beiden Kreuzungen mit der Linie 1, mit der es keinerlei physische Verbindung gibt. Beim Innenstadttunnel hat man am falschen Platz gespart: eine ursprünglich geplante Station wurde ersatzlos gestrichen, mitten im dichten, kleinteiligen Zentrum ein herber Verlust. Und auch wenn die Endstation am alten Stadthafen städtebaulich grandios ist: Die vorgesehene Weiterführung von hier zum nahen Bahnhof Riquier und der Linie 1 wurde nach Protesten aufgegeben, sie hätte das Netz im Osten der Stadt optimal ergänzt. Nutznießer des Straßenbahntunnels ist übrigens vor allem der Radverkehr: Die früheren Busspuren entlang der Route wurden aufgegeben, der frei werdenden Platz wurde zu Radwegen und wunderbar üppig bepflanzten Grünbereichen.

Straßenbahn in Nizza Straßenbahn in Nizza Straßenbahn in Nizza

Während die Bevölkerung auf die Linie 2 lange warten musste, wurde die Linie 3 deutlich vorgezogen. Ursprünglich erst für 2023 vorgesehen, erschließt sie bereits seit Herbst 2019 die Var-Ebene. Dieses Flusstal im Westen ist im sonst schroffen Hinterland von Nizza die einzige Fläche mit großen Baulandreserven, nun ist die Straßenbahn schon vor den Bewohnern da – eine ideale Situation, da die Menschen vor allem bei einem Wohnungswechsel bereit sind, Gewohnheiten zu verändern und neue Verkehrsangebote zu nutzen. Die Strecke führt unspektakulär im Mittelstreifen der Erschließungsstraße Avenue Simone Veil nach Norden, wo sie in der Nähe der Station Saint-Isidore der „Chemin de fer de Provence“, einer schmalspurigen Lokalbahn, endet.

Straßenbahn in Nizza Straßenbahn in Nizza Straßenbahn in Nizza

Straßenbahn in Nizza Straßenbahn in Nizza Straßenbahn in Nizza

Nicht ganz ungewöhnlich für Frankreich mit dem oft völlig linienbezogenen Denken ist die unterschiedliche Technologie der beiden Netzteile T1 / T2+3. Während die Citadis der ersten Linie klassisch mit Oberleitung betrieben werden (abgesehen von zwei kurzen Unterbrechungen in der Innenstadt, die mit Batterie überwunden werden), sind T2 und 3 in den oberirdischen Teilen vollständig oberleitungsfrei. Die Stromversorgung erfolgt über Superkondensatoren, die sich durch schnelle Ladezeiten auszeichnen; sie werden an jeder Haltestelle etwa 20 Sekunden lang nachgeladen. Diese Technik scheint allerdings mehr Spielerei als notwendig, da die durchfahrenen Straßenzüge keine besonderen historischen oder stadtbildprägenden Gebäude aufweisen.

Netzplan

Alle Viennaslide-Bilder zur Straßenbahn Nizza

Langfassung des Artikels (Straßenbahnmagazin, PDF)


Verwandte Links:

Verkehrsprojekte in Nizza
Chemins de fer de la Provence
Die Kurzvorstellung der neuen Alstom-X05
Video: Präsentation von Alstom Transport & Ora ïto

Die Zukunft der Städte, Seite 114

Lage in Frankreich

zur Startseite / Navigationsframe nachladen

Copyright Harald A. Jahn / www.viennaslide.com

Letzte Änderung: 14.3.2023