Straßenbahn in Frankreich - Lille

Mit dem Ausbau des TGV Nord wurde die romantische Kleinstadt zu einem der wichtigsten Eisenbahnknoten nördlich von Paris. Hier zweigt die TGV-Strecke nach Brüssel und Amsterdam von der Eurostar-Linie Paris-London ab. Lille wurde damit zu einem Zentrum des europäischen Hochgeschwindigkeitsnetzes, und entprechend groß war die Phantasie, die die Investoren entwickelten. In Sichtweite vom alten Bahnhof "Lille Flandres" liegt der neue Komplex von "Lille Europe". Für Pendler und Reisende in die Provinz nicht die beste Lösung: ständig ist ein Menschenstrom über den grossen Platz zwischen den beiden Bahnhöfen unterwegs.

Hinter dem Bahnhof trifft man auf die "Val-Metro": Durch einen gigantischen Schacht laufen freischwebende Treppen und Übergänge. Diese fahrerlose Bahn wurde vom Rüstungskonzern Matra gebaut. Die Fahrzeuge sind sehr eng und befördern weniger Fahrgäste als eine normale Straßenbahngarnitur, erfordern aber Stationsbauwerke wie eine U-Bahn. Gleichzeitig ist die Fahrbahn sehr aufwendig und erlaubt keine Niveaukreuzungen. Der fahrerlose Betrieb macht Sicherheitstüren an den Bahnsteigkanten notwendig.


Im Schatten dieses Verkehrsmittels existiert in Lille eine kleine Tramway, offiziell "Tramway du Grand Boulevard", die aber derzeit wenig Entwicklungschancen hat. Die beiden Linien werden auch heute noch umgangssprachlich "Mongy" genannt, nach dem Gründer des ursprünglich ausgedehnten Netzes von Fernstraßenbahnlinien. Mit dem Ausbau der VAL-Metro stand immer wieder die Einstellung der Straßenbahn im Raum, bis man sich dann 1989 entschloss, die Strecken zu erhalten und mit neuen Zügen auszustatten.

Diese recht kleinen Wagen sind eine Sonderkonstruktion der italienischen Firma Breda für Meterspur. Die 24 Gelenktriebwagen lösten 1994 die in Deutschland gebraucht gekauften Duewag-Züge ab, die daraufhin verschrottet wurden. Inzwischen kommen allerdings auch diese Züge langsam ans Ende ihrer Lebensdauer, die Ausschreibung von 24 Neubaufahrzeugen (mit 32,5 Metern um 3 Meter länger als bisher) wurde begonnen.


Die Instradierung der neuen Fahrzeuge erfolgte - typisch für Frankreich - recht theatralisch: In einem neuen Depot wurde die Fahrzeugflotte unter großer Geheimhaltung bereitgemacht, um dann nach einer mehrtägigen Betriebsunterbrechung typenrein auf beiden Linien eingesetzt zu werden. Das alte Depot wurde mit den darin befindlichen Wagen vom Netz abgetrennt und bot bei meinem Besuch 1998 einen traurigen Anblick. Wärend die Duewag-Fahrzeuge in Ermangelung von Abnehmern im Rahmen eines Arbeitslosenprojekts verschrottet wurden, überlebte einer ihrer Vorgänger hier auf einem Hallengleis. Wagen dieser Art verkehren auch auf der neu aufgebauten Museumsstrecke im Nordwesten der Stadt. Zwischen 2012 und 2016 erhielten die Breda-Züge eine Mid-Life-Überholung.

Von der französischen Tramway-Euphorie war hier lange wenig zu spüren. Nun scheint aber Bewegung in die Sache zu kommen: Bis 2028 sollen zwei neue Linien mit fast 30 km neuer Strecke entstehen (am Plan rot und türkis); die alte "Mongy" (violett) bleibt erhalten, ergänzt wird das ganze durch zwei Bustrassen (gelb, grün). Das Zentrum wird von der neuen Straßenbahnlinie umfahren.

Netzplan

Alle Viennaslide-Fotos zu Lille

Transpole (Verkehrsbetrieb Lille)

Amitram (Stadtverkehrsmuseum)


Die Zukunft der Städte, Seite 42

Lage in Frankreich

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Letzte Änderung: 22.11.2021